“Das Café ohne Namen” von Robert Seethaler

14.05.2023

Hi, ich bin Bettina!

Ich liebe Geschichten von Menschen, für Menschen geschrieben. Das Lesen ist meine große Leidenschaft und Literaturvermittlung ist meine Mission. Also, worauf wartest du noch? Fang an zu lesen!

ein absoluter klassiker

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mein derzeitiges lieblingsbuch

Ein Buch, so wohlig wie eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen an einem Sonntagnachmittag

Robert Simon heißt der Protagonist in Robert Seethalers neuestem Roman (fast während des gesamten Texts wird er schnörkellos auf „Simon“ verkürzt), der eines Tages beschließt, sich von seinem Dasein als Gelegenheitsarbeiter zu lösen und kurzerhand einen Pachtvertrag für ein Café in Wien unterschreibt, das er schon nach wenigen Tagen eröffnet. Der Ausgangspunkt der Geschichte ist zeitlich präzise verankert:

„Es war im Spätsommer des Jahres 1966, Simon war einunddreißig Jahre alt.“

Von dieser Einführung ausgehend, entfaltet Seethaler die zehnjährige Geschichte des Cafés und seines Wirts. Das poetologische Programm will den bodenständigen, ‚einfachen‘ Menschen des Viertels nachspüren, ablesbar ist dies unter anderem an erwähnter Namensverkürzung, aber auch am Titel des Romans.

Simon und seinem Freund, dem Metzger Johannes Berg, will während einer sehr kurzen Brainstormingphase einfach kein passender Name einfallen – beide sind eher dem Alltäglichen und Zupackenden zugewandt –  und so beschließen sie die Namensfindung aufzugeben und das Café namenlos zu belassen (denn, so philosophiert Johannes, die Donau gab es auch schon, bevor ihr jemand die Bezeichnung Donau verlieh). Dass der fehlende Titel des fiktiven Cafés schließlich in den Titel des realen Buchs formuliert, ist eine schön angelegte Verbindung.

Neben dem kinderreichen Metzger ist die junge Mila eine Konstante im Leben des Cafés. Arbeits- und nahezu hoffnungslos versucht sie zunächst, Simon von ihrer Tatkraft zu überzeugen und bleibt die wichtigste Stütze des Betriebs. Wer hier eine sich anbahnende Liebe vermutet, liegt falsch, denn Simon und Mila bleiben über die Jahre hinweg schlicht ein gutes und verlässliches Team. Eine weitere wichtige Figur ist die Witwe, bei der Simon zur Untermiete lebt. Hier findet im Verlauf der Handlung ein Rollenwechsel statt, zunächst unterstützt sie Simon, etwa wenn es darum geht, ihm Mut zuzusprechen oder mit einem Punschrezept das Geschäft zu beleben. Später wird er sich mit anhaltenden Besuchen revanchieren.

Was lässt sich über die Handlung sagen?

Das Leben in und mit dem Café geht von wenigen herausragenden, in das Leben der Hauptfiguren eingreifenden Ereignissen, seinen wohligen Gang. Die Leserschaft ist quasi an Simons Seite und erlebt, was er in seinem Café anbietet, wie die Möblierung gestaltet ist, welche Handgriffe nötig sind und natürlich, welche Menschen mit welchen Eigenheiten zu Gast sind. Es wird gekartelt, getuschelt, gelästert, gelacht, Sorgen geteilt, viel getrunken, wenig getrunken, alles so, wie man es erwartet. Manchmal blitzt feiner Humor durch, beispielsweise wenn es heißt: „Wir sind in Wien, da ist jeder nette Mensch verdächtig.“

Die Sprache wirkte auf mich zeitenthoben, souverän, eingängig oder mit anderen Worten im besten Sinn ‚seethalerisch‘ und erinnerte mich stark an die Tonalität von „Ein ganzes Leben“, das allerdings mit der Handlung bereits 1933 einsteigt. Auch die Konstruktion ist nach meiner Auffassung ähnlich, zumal wir wieder die Hauptfigur durch die Jahre begleiten. Im Fall von Andreas Egger („Ein ganzes Leben“) sind historisch bedeutsame Ereignisse auch für dessen Leben wirkmächtig. „Das Café ohne Namen“ verhandelt zentral Alltägliches, gleichwohl bleibt die Zeit auch hier nicht stehen, dennoch kommt die Geschichte ohne die Anlehnung an markante Punkte der Geschichte aus. Erleben wir in „Ein ganzes Leben“ eben das, was der Titel verspricht, beschreibt die Geschichte um Robert Simon die zehnjährige Phase des Café-Lebens.

Das Abschiedsfest verbindet Seethaler dann allerdings doch noch mit einem historischen Knalleffekt, es endet zu dem Zeitpunkt, an dem am 01. August 1976 die Reichsbrücke in Wien einstürzte, zwischen 4.30 Uhr und 4.40 Uhr.

Ist das nun ein lesenswertes Buch?

Absolut, wenn man einfach mal abtauchen möchte in eine Wiener Melange aus Freundschaft, dem Auf und Ab des Lebens und dem Reiz des Bodenständigen und Herzlichen. Ein Buch für einen Regentag, eine Wolldecke und – na klar! – einen Kaffee.

Mein Traum war immer schon, das Lesen zu meinem Beruf zu machen. Heute bin ich überglücklich, dass ich nach einem Studium (Kulturwissenschaften und Germanistik) und einer Promotion im Bereich Gegenwartsliteratur meine Liebe zur Literatur auf unterschiedlichste Weise ausleben kann – gern mit einem Kaffee und einem Stück Kuchen in der Nähe.

Ich liebe Geschichten, von Menschen für Menschen geschrieben.

bettina

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